Monday, August 21, 2006

Leichtes Leben durch Zwei Plus!

Wer gut rechnen kann, ist viel schneller als andere und macht weniger Fehler. Wussten Sie das? Wer gut schreiben kann, formuliert viel schneller und begeht kaum Orthografie-Sünden. Schüler, die gut sind, brauchen viel weniger Zeit für gute Hausaufgaben als solche, die sich fürchten müssen. Warum gibt es also Leute, die noch Zeit für schlechte Leistungen haben?

Nicht wirklich überlegte Menschen glauben, dass schnelleres Arbeiten zu mehr Fehlern führt. Nicht wirklich überlegte Menschen glauben, dass fehlerfreies Arbeiten länger dauert. So etwas sagen Sie nämlich nur, wenn Sie etwas nicht gut können. Wenn Sie es gut können, ist es immer schnell und fehlerfrei – wenn ich einmal von abstrusen Perfektionisten absehe, die sich an den Universitäten zu sammeln scheinen. Ich stelle hier die Behauptung auf: „Wer es etwas gut kann, ist schnell, fast fehlerfrei und hat ein gutes Leben.“

Ich sagte gut wie Zwei Plus, nicht Note Eins, ja? Die ist oft Liebhaberei, nicht Pragmatismus. Meine These ist schwer zu glauben. Denn Sie haben vielleicht eine Vier gehabt und so irre viel Arbeit und Angstschweiß aufwenden müssen, dass Sie sich die Mehrarbeit für eine Zwei Plus nicht einmal in Alpträumen vorstellen wollten. Viele Jahre habe ich diese These zu Hause diskutiert. Ich musste Hohn einstecken. Der klang so – sie äfften mich in meiner prophetischen Sprechhaltung nach: „Interessier dich doch, Kind! Hab das, was du können willst, etwas lieb, Kind!“ Und dann fügten sie erregt hinzu: „Blabla, es ist nur doof, alles in der Schule, und man hat schon keine Lust mehr, wenn man das Heft aufschlägt. Und sie schimpfen doch wieder über alles, so oder so.“ Gegen das Ende der Schulzeit, als die Punkte für das Abi zählten, kam dann jemand heim und sprach also: „Du, ich habe etwas erkannt, was mir das Leben sehr erleichtert. Wenn du nämlich schon in der Schule das Gehirn angeschaltet lässt und verstehst, worum es geht, musst du irre viel weniger lernen als sonst. Ich glaube, du musst gar nichts mehr arbeiten, wenn du eine Eins hast, dann verstehst du ja alles gleich online und kritzelst schnell nach der Schule die Aufgaben runter. Alles ist sofort richtig, die Lehrer maulen nicht rum und die Eltern auch nicht. Jetzt bin ich gut in der Schule. Schon gemerkt? Darf ich ab jetzt über Nacht wegbleiben, Pa?“ – Ich war mächtig stolz, dass mir jemand mal zugehört hatte und äußerte das ungemein froh. Ich wurde schwer für diese Eitelkeit ausgeschimpft: „Ich habe es selbst entdeckt! Ich brauche dich nicht dafür!“

In meinem Buch Wild Duck habe ich das Buch Peopleware von Tom DeMarco und Timothy Lister zitiert und empfohlen. Dort berichten die Autoren, die meine These offenbar nicht kannten, von einem Programmierwettbewerb. Viele Testpersonen mussten ein Programm schreiben, dabei wurden Zeit und Fehleranzahl gemessen. Nun wurde ausgewertet, wer am besten abschnitt und woran es lag. Am Alter? An der Erfahrung? Dem Computer? Der Bezahlung? Der Ranghöhe? Das ganz grobe Ergebnis: Die besten Leute waren doppelt so schnell und ziemlich fehlerfrei. Sag ich ja! Das weiß jeder! Und welche Leute waren gut? Jetzt kommt der Hammer: Die Qualität hing nicht von Geld, Alter, Rang was weiß ich ab – nur – ja – nur – wovon?
Sie raten es nie – von dem Unternehmen, in dem sie arbeiten. Warum das? Ich weiß es nicht. Sammeln sich die Guten irgendwo? Oder ist die Qualität eine implizite Sache der Unternehmenskultur? Wissen alle in einem Unternehmen, wie gut und wie schnell etwas zu sein hat? Gibt es deshalb unglaublich gute und schlechte Schulen? Gute und schlechte Klassen? Ich habe sofort so einen Artikel wie diesen im IBM Intranet publiziert. Aber immer noch gibt es Manager, die glauben, dass gute Arbeit zu lange dauert und teuer wird. Das ist nur dann so, wenn man gute Arbeit von schlechten Leuten verlangt! Immer noch gibt es Manager, die glauben, dass schnelle Arbeit zu Fehlern führt! Das ist nur dann so, wenn man schlechte Leute antreibt!
Es kommt darauf an, mit Leuten in einem Klima zu arbeiten, die etwas gut können. Dann sind sie alle offenbar doppelt so schnell und doppelt so gut. Und dann gibt es immer noch Manager, die glauben, durch Antreiben bei guten Leuten etwas erreichen zu können! Hey, gute Leute sind schon am schnellsten und am besten!

Wenn wir als Manager die Menschen antreiben, dann machen die schlechten Mitarbeiter mehr Fehler und die guten erklären uns zu Idioten. Wenn wir als Manager den Menschen bei Fehlern den Kopf abreißen, arbeiten die schlechten beliebig lange und die guten erklären uns zu Idioten. Was bewirkt also das Management oder die anherrschende Pädagogik? Noch schlechtere Leistungen. Gibt es deshalb gute und schlechte Unternehmen, Schulen oder Klassen?
Das Hetzen und Beckmessern schaut nicht auf die Hauptsache: Man muss nicht schnell und nicht fehlerfrei sein, sonder einfach gut, nicht besser und nicht schlechter. Nur gut. Zwei Plus. „Lehrer zufrieden, Eltern zufrieden, Schüler zufrieden, viel Freizeit, Selbstbewusstsein, schönes Leben, wenig Arbeit.“ – Nicht Vier: „Lehrer mault, Eltern schimpfen, niedriges Selbstbewusstsein, Nachhilfestunden, Geldverdienen für Nachhilfestunden, Hausarrest, Nachsitzen, Versetzung gefährdet, Deadlines - immer kurz vor dem Tod.“ Oder in Firmen – Note Vier: „Revision, Meeting, Review, Genehmigung, Nacharbeit, Nochmaleinreichen, Überstunden für Fehler, Misstrauen, Mobbing, Projektleiter böse, Kollegen böse, Chef böse, Kunde böse, Nacharbeit, Nachprüfung, Gehaltskürzung.“

Wer hat so viel Zeit? Wer ist so masochistisch, nicht gut zu sein?