Monday, December 11, 2006

Praesentomania: You too can do

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Praesentomania: You too can do! (Daily Dueck 28)


Gunter Dueck, von www.omnisophie.com


See me, feel me, touch me, heal me …

Die Präsentationen von heute sind leider so gefühllos wunderschön professionell! Früher haben wir miteinander geredet, wütend gestritten, zusammen geweint und alles elend lange ausdiskutiert. Wir haben versucht, uns bis in die Nacht gegenseitig zu überzeugen und zu besiegen, was so gut wie immer unentschieden ausging. Das fehlt mir heute sehr. Zum Diskutieren fehlt uns die Zeit. Wir sind vom Siegenmüssen überlastet.

Wer aber siegen will, wird für den Erfolg präsentieren! Sieger ergattern Time-Slots auf Conferences und bombardieren das zahlende Publikum mit Key Messages. Eine gute Präsentationstechnik unterstützt das farbenfroh. Der Speaker stolziert wie ein Pfau so prächtig. „Presentatarm!“ (Italienisch: Präsentiert die Waffen). „Präsentamtam!“ Das ist normaler Alltag. Beeindrucken Sie den Kunden mit ihrer Präsentationskompetenz! Stehlen Sie ihm das anschließende Coffee Break zum Crash der notorisch zu dicht gepackten Agenda! Es kommt darauf an, Ihren Slot zu einem strahlenden Event zu gestalten. Das Result einer Präsentation ist das Achievement von Top-Scores auf den Evaluationssheets, für deren Voting man ein Give-Away bekommt. Wer High-Scores bekommt, den liebt der Veranstalter und der darf Keynotes abgeben! Ach ja, und die Key Message muss rüber: We are the best. Das ist das Minimum. You too can do.
„War alles in Ordnung?“, fragte ich nach meiner Keynote den leicht zitternden Veranstalter. „Das kann ich noch nicht sagen!“, erbat er Aufschub. „Wir müssen erst die Teilnehmerbögen auswerten!“ Ich stutzte und fragte: „Saßen Sie denn eben nicht in der ersten Reihe?“ Er verstand mich nicht.

Man muss alle mit Lautstärke, Denglisch und Boldness plattmachen. Früher versuchte man sich in unterlegener Lage eher mit Fremdwörterorgien - erinnern Sie sich noch an das entsetzliche Soziopsychopolitilo-Kauderwelsch der 70er Jahre, über das Satiren im Fernsehen liefen? „Qua pränataler-postembryionaler adultisierter Partneraffinität säkulierte der Angeklagte psychozidal in die urna fäkultitatis sicca.“ Es gab so genannte Wissenschaftler in hellbraunen Cordanzügen, die so wie Göttinger Dauerregen plätschern konnten. Normale Menschen konnten gar nichts davon verstehen und es gab immer wieder Vermutungen, dass dies auf die Redner noch stärker zutraf, was aber den Eventwert nicht tangierte.
Heute kommt es aber mehr auf Business an, also muss es jeder verstehen, der das alles bezahlen soll. Deshalb wird jetzt Content Free Communication in Powerpoint-Technologie vom Feinsten umgesetzt. Statt Kauderwelsch nur Werbe-Jingles. Die Präsentationstechnologie ersetzt nicht einfach nur den Inhalt – ach, das wissen Sie doch! Viele Präsentationen sind im Wesentlichen schon das Produkt selbst! Und die Zahlengerippe der Evaluationsbögen bilden die Grundlage der nächsten Hochglanzstudie. „Auswertungen Ihrer Antworten haben ergeben, dass Sie exakt das kaufen wollen, was wir Ihnen heute teuer als Pain Point anbieten. Signen Sie jetzt!“

Wissen Sie denn nicht, unter welchen dramatischen Umständen Ihre eigenen Folien entstehen? „Hat einer Charts dazu? Wo ist der neueste Firmenmaster? Wie ändert man das Datum? Habt Ihr ein motziges Kundenlogo? Kann mir einer noch ein paar Bullets sagen, damit alle Slides übervoll sind. Ich mag nicht nackt dastehen!“ Präsentationen anfertigen ist wie ein Analogon zu: „Was zieh ich zum Wiener Opernball an?“ Da fällt mir ein: Richtig gute Fakten können ruhig nackt dastehen. Wie Kaisers neue Kleider oder – war es umgekehrt?

Egal. Was ich sagen will: Wollen wir nicht wieder fetzig miteinander reden? Uns Zeit füreinander nehmen? Ohne Taktieren? Alle machen mit, statt dass einer nur das Siegen probt, während die anderen dösen oder Attention bezahlen? Wollen wir uns nicht mal wieder auseinandersetzen? For a better understanding?

Ich bin skeptisch, denn: Nicht für die Schule lernen wir, sondern für das Leben! Wenn aber im Leben nur noch präsentiert wird, muss man in der Schule wohl auch nicht mehr denken, schreiben oder diskutieren. Wird es also je wieder besser oder normal? Impossible is nothing.

See me, hear me, watch me, cheer me …

2 Comments:

Blogger Werner_Mo said...

Trifft alles zu, für Europäisches Festland. In GB, IRL und USA habe ich andere Erfahrungen, da gibt es Dialog/Diskussion und der ist von beiden Seiten erwünscht. In Belgien habe ich einen US-Kollegen erlebt, der wie gewohnt versucht hat über Fragen mit den Teilnehmern in eine Diskussion zu kommen, mit fatalen Folgen, die Teilnehmer haben sich beschwert.
Was also tun? Ich versuche es über Provokation in Form von Aussagen, dass nur unsere Firma/Team dieses Problem hat, bei den Zuhörern ( und den anderen Referenten) gibt es das nicht.... Dann trauen sich auch Zuhörer.
In einem Klima der Perfekten traut sich doch niemand zugeben, dass...
Meine kleine Erfahrung zum Thema...

12:07 AM  
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